Quartierverein Wiedikon

Erika- und Gertrudstrasse haben jetzt eine Gotte

Weibliche Strassennamen in Wiedikon (2)
OK-Präsidentin Erika Rikli (links) am Eröffnungstag der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) in Zürich, 17. Juli 1958, zusammen mit Chefarchitektin Annemarie Hubacher-Constam (mit Brille) OK-Präsidentin Erika Rikli (links) am Eröffnungstag der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) in Zürich, 17. Juli 1958, zusammen mit Chefarchitektin Annemarie Hubacher-Constam (mit Brille)
Genau wie die Bertastrasse liegen auch die Erika- und die Gertrudstrasse im Sihlfeld-Quartier. Warum es gerade dort zu dieser Häufung weiblicher Strassennamen kam, wäre eine kleine historische Studie wert. Vielleicht unternimmt das Büro für Gleichstellung der Stadt Zürich einen Anlauf?

Die Erikastrasse ist eine der kürzesten Strassen in Wiedikon, sie erstreckt sich von der Seebahn- zur Zurlindenstrasse und ist nur gut 200 Meter lang. Etwas länger ist die Geschichte von Erika Rikli (1907-2002), die aus Horgen kam und in Zürich die Höhere Töchterschule besuchte, später die Handelsschule in Neuenburg. 1935 promovierte sie an der Uni Zürich in Volkswirtschaft. Von 1939 bis 1942 war sie Vorsteherin der Haushaltungsschule Zürich, danach Leiterin der Gruppe Hauswirtschaft des Eidgenössischen Kriegsernährungsamts, ab 1947 Vorsteherin der hauswirtschaftlichen Fortbildungsschule der Stadt Zürich.

Bekannt wurde Erika Rikli vor allem als Präsidentin des Organisationskomitees der SAFFA (Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit) 1958. Sie eröffnete diese im Beisein des damaligen Bundespräsidenten Thomas Holenstein in Zürich. Zwölf Jahre wirkte die engagierte Frauenrechtlerin im Vorstand des Bundes Schweizerischer Frauenvereine (BSF), als deren Vertreterin sie auch Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung war. Die kurze Erikastrasse, soviel ist klar, erfährt durch ihre neue «Gotte» eine Aufwertung.
Frauenrechtlerin Gertrud Heinzelmann in späteren Jahren Frauenrechtlerin Gertrud Heinzelmann in späteren Jahren
Ebenfalls die Töchterschule besuchte etwas später Gertrud Heinzelmann (1914-1999). Sie studierte Rechtswissenschaft und promovierte 1942 an der Uni Zürich. Tätig als Anwältin, war sie zwei Jahrzehnte – von 1956 bis 1976 – Mitglied des Zentralvorstands des Schweizerischen Verbandes für Frauenstimmrecht, den sie 1959/60 präsidierte. Von 1963 bis 1976 war Heinzelmann Leiterin des «Büros gegen Amts- und Verbandswillkür», einer typischen Dutti-Gründung im Migros-Genossenschaftsbund, die Menschen helfen sollte, die unter die Räder der Justiz oder der Verwaltung geraten waren.

1962 forderte die engagierte Katholikin mit einer Eingabe an das Zweite Vatikanische Konzil die Gleichstellung der Geschlechter in der römisch-katholischen Kirche und die Frauenordination. 1964 gründete sie den Verlag «Interfeminas», der frauenrechtlerische Schriften herausgab. 1972 wurde Gertrud Heinzelmann in die Synode 72 des Bistums Chur berufen. Die religiösen Bezüge bilden übrigens eine Brücke zur Gertrudstrasse, an der – ein Zufall – die Pfarrei Herz-Jesu Wiedikon liegt. Die Gertrudstrasse führt vom Brupbacherplatz zur Haldenstrasse und ist rund 650 Meter lang.  
An der Erikastrasse liegt die Synagoge Agudas Achim (rechts im Hintergrund)
An der Erikastrasse liegt die Synagoge Agudas Achim (rechts im Hintergrund) (Foto: Naomi T. Salmon 2020)
Die Gertrudstrasse beherbergt auch das Pfarreizentrum Herz Jesu Wiedikon
Die Gertrudstrasse beherbergt auch das Pfarreizentrum Herz Jesu Wiedikon (Foto: Naomi T. Salmon 2020)
Wenn wir also im nächsten Frühling durchs Quartier spazieren, werden uns blaue Hinweistafeln an zwei bedeutende Zürcherinnen erinnern, denen wir in Wiedikon gerne Gastrecht gewähren.

Nächste Folge am 6. Januar 2021: Warum Martastrasse und Margaretenweg aufgewertet werden (3).